Gesetzliche Erbfolge, Testament und Erbvertrag
Herr Veil, wie funktioniert die gesetzliche Erbfolge?
Martin Veil: Ist kein Testament vorhanden, ist die Erbfolge gesetzlich geregelt. Zuerst erben alle Kinder. Hatte die verstorbene Person keine Kinder erben die Eltern. Falls die Eltern bereits verstorben sind, erben die Geschwister. War die verstorbene Person verheiratet, erbt immer auch die Ehepartnerin oder der Ehepartner. In der Regel ist das immer die Hälfte des Nachlasses.
Welche verschiedenen Arten von Testamenten gibt es eigentlich?
Martin Veil: Man unterscheidet zwischen eigenhändigem Testament, öffentlichem Testament und außerordentlichem Testament.
Ein eigenhändiges Testament muss grundsätzlich von der testierenden Person eigenhändig geschrieben und unterschrieben sein. Darüber hinaus sollte das Testament den Ort und das Datum der Errichtung enthalten. Bei gemeinschaftlichen Testamenten von Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnerinnen und Lebenspartnern genügt es, wenn eine Person davon das Testament eigenhändig schreibt und unterschreibt und die andere Person eigenhändig mitunterschreibt.
Ein öffentliches Testament wird notariell beurkundet und in amtliche Verwahrung gegeben. In einem persönlichen Gespräch vergewissert sich die Notarin oder der Notar von der Testierfähigkeit der Mandantin oder des Mandanten und entwickelt gemeinsam mit diesen die Urkunde.
Unter außerordentlichen Testamenten versteht man Nottestamente. Diese können nur errichtet werden, wenn eine Notarin oder ein Notar, aufgrund einer akuten Lebensgefahr der testierenden Person, nicht mehr gerufen werden kann und auch sonst kein Ausweg besteht. Für solche Testamente sind Zeugen erforderlich, die nicht zugleich Erbende sein dürfen. Derartige Testamente sind nur drei Monate gültig.
Neben dem Testament gibt es auch die Möglichkeit des Erbvertrags. Was ist der Unterschied?
Martin Veil: Mit einem Testament kann nur eine testierende Person alleine oder können testierende Ehegatten gemeinschaftlich Verfügungen treffen. Mit einem Erbvertrag hingegen kann gemeinsam mit Dritten verbindlich über den Nachlass verfügt werden. So können zum Beispiel mit Kindern, Geschwistern, Eltern oder sonstige Personen verbindliche Regeln für den Erbgang vereinbart werden. Während Testamente eigenhändig errichtet werden können, braucht es für einen Erbvertrag die öffentliche Beurkundung durch eine Notarin oder einen Notar.
Pflichtteil und Vor- und Nacherben
Was ist ein Pflichtteil und wer hat Anspruch darauf?
Martin Veil: Das bürgerliche Gesetzbuch sieht eine Art „Pflichterbschaft“ in Form der Pflichtteilsberechtigung vor. Bestimmte Personen müssen also Kraft Gesetz, sozusagen unabhängig vom letzten Willen, etwas vom Nachlass abbekommen. Dies sind immer die leiblichen Kinder, oder, wenn es solche nicht gibt, die Eltern der verstorbenen Person. Ehepartner genießen in diesem Zusammenhang einen entsprechenden Sonderstatus. Berücksichtigt man also einen oder mehrere der vorgenannten Personen nicht in seinem Testament, so können diese von ihrem gesetzlichen Pflichtteilsrecht gebrauch machen und eine entsprechende Auszahlung fordern. Die Höhe des Pflichtteils ist immer die Hälfte des gesetzlichen Anteils.
Was hat es eigentlich mit der Vor- und Nacherbschaft auf sich?
Martin Veil: Mit Anordnung kann mit dieser Methode ein Nachlass zuerst an eine Vorerbin oder einen Vorerben und, nach dessen Tod, an eine Nacherbin oder einen Nacherben gesteuert werden. Regelmäßig kann der Vorerbende dabei nur den Nutzen, also Zinsen, Dividenden, Mieten oder Pachterträge, aus dem Nachlass für sich verwenden, diesen aber nicht verkaufen, verschenken, verschleudern oder selbst vererben. Erst der Nacherbende ist diesbezüglich frei.
Kann ich ein Testament selbst verfassen oder ist es besser sich hier fachkundig beraten zu lassen?
Martin Veil: Ein Testament kann grundsätzlich selbst verfasst werden. Allerdings „hängt das Erbrecht an Worten“. Die falschen Formulierungen zu verwenden schafft Verwirrung und kann im schlimmsten Fall eine Fehlsteuerung des Nachlasses zum Ergebnis haben. Deshalb sollten Rechtsberufe, also Anwältinnen und Anwälte oder Notarinnen oder Notare konsultiert werden.
Testamentvollstreckung und Steuern
Kommen wir zu den steuerlichen Aspekten. Welche sind beim Erben und Vererben zu beachten?
Martin Veil: Je nach verwandtschaftlicher Stellung der Erben zur Erblasserin oder zum Erblasser, haben diese unterschiedlich hohe Freibeträge, also Werte oder Beträge, die steuerfrei an diese weitergegeben werden können. Zum Beispiel haben leibliche Kinder einen Freibetrag in Höhe von je 400.000 Euro, während Nichten und Neffen sowie Lebenspartnerinnen und Lebenspartner nur je 20.000 Euro steuerfrei erben können. Unter Umständen kann es sinnvoll sein, die Freibeträge strategisch zu nutzen und schon zu Lebzeiten Vermögen zu übertragen. Hierfür sollten aber Fachleute wie Steuerberaterinnen und Steuerberater zu Rate gezogen werden.
Welche Rolle spielen Testamentsvollstreckerinnen oder -vollstrecker? Und was ist der Testamentsvollstrecker-Service der Kreissparkasse Göppingen?
Martin Veil: Grundsätzlich können Erbende nur gemeinschaftlich über den Nachlass verfügen, d. h. auch wenn klar ist, wer was bekommt, sind für jede Übergabe immer die Unterschriften aller Erbenden notwendig. Verweigert nur eine erbende Person die Mitarbeit oder ist an der Mitarbeit aus irgendwelchen Gründen gehindert, ist der Nachlass blockiert. Mit Anordnung der Testamentsvollstreckung wird den Erbenden das Verwaltungs- und Verfügungsrecht über den Nachlass entzogen und auf die Testamentsvollstreckung übertragen. Diese, im Idealfall neutrale Instanz, nimmt den Nachlass in Besitz, bezahlt Schulden und Steuern und „räumt auf“. Abschließend verteilt sie den Nachlass entsprechend der Verfügung von Todes wegen auf die Erbenden. Unter Umständen können aber auch Erbteile für Erbende über Jahre verwaltet werden.
Mit der Testamentsvollstreckung können grundsätzlich alle volljährigen Personen beauftragt werden. Da diese aber auch sterben können glauben wir bei der Kreissparkasse Göppingen, dass es besser wäre das Nachlassgericht mit der Benennung einer Testamentvollstreckerin oder eines Testamentsvollstreckers zu beauftragen. Auch eine Institution wie die Kreissparkasse Göppingen empfiehlt sich als Testamentsvollstreckerin. Hier kümmern sich erfahrene und besonders ausgebildete, zertifizierte Personen um die Abwicklung des Nachlasses.
Gründe für die Anordnung der Testamentsvollstreckung gibt es viele, zum Beispiel wenn Streit unter den Erbenden befürchtet wird, wenn es sehr viele Erbende gibt, wenn die Erbenden weit in der Welt verstreut leben oder wenn eine Stiftung gegründet werden soll.
Digitaler Nachlass, laufende Verträge und Schulden
Was für Regeln gibt es beim „digitalen Nachlass“, also beispielsweise Mail- oder Social- Media-Konten?
Martin Veil: War die verstorbene Person im Internet unterwegs, so hinterlässt sie nicht nur Spuren, sondern unter Umständen auch Vermögen. Dies können Guthaben bei Unternehmen ebenso sein wie Audio-, Video- oder Buchdateien oder Softwarelizenzen. Guthaben bei Unternehmen wie zum Beispiel Ebay, PayPal oder Amazon können auf die Erben gegen Erbnachweis übertragen werden.
Verträge über Konten bei sozialen Netzwerken gehen grundsätzlich auf die Erben des ursprünglich Kontoberechtigten über. Diese haben Anspruch, dass ihnen Zugang zum Nutzerkonto gewährt wird. Für die Bearbeitung des digitalen Nachlasses können auch professionelle Dienstleister wie zum Beispiel Semno in Heuweiler oder Columba in München beauftragt werden – dies gilt insbesondere, wenn Zugangsdaten und Passwörter fehlen.
Und was für Auswirkungen hat eine Erbschaft auf laufende Verträge, etwa Mietverträge oder Kredite?
Martin Veil: Erbende treten in die Fußstapfen der verstorbenen Person, sie treten also auch in Verträge anstelle der verstorbenen Person mit allen Konsequenzen, positiv wie negativ, ein.
Gilt das auch für Schulden und Verbindlichkeiten des Erblassers?
Martin Veil: Schulden fallen ebenso wie Vermögen in den Nachlass. Die erbenden Personen erben also nicht nur das Vermögen, sondern auch die Schulden.
Erben können durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht das Erbe (und damit die Schulden) ausschlagen oder aber das Erbe auf den Nachlass beschränken. Die Frist hierfür beträgt 6 Wochen ab bekanntwerden der Erbeneigenschaft und der Berufung als Erbe. Hat eine erbende Person ihren einzigen Wohnsitz im Ausland, verlängert sich diese Frist auf 6 Monate.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Veil.
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