Der Fabrik für Kunst und Kultur e.V.
prisma: Wie kam es zur Gründung des Vereins und welches Ziel verfolgen Sie?
Amyna Wolf: 1994 gründete sich der Verein Fabrik für Kunst und Kultur e.V. als unabhängiger Träger kultureller Aktivitäten im Kreis Göppingen. Ziele des Vereins sind soziokulturelle Arbeit und seit Bezug auch die bauliche Erhaltung des Gebäudes, der Chapel.
Der Verein wurde mit dem Ziel gegründet, alternativer Kultur und (Jugend-)Subkultur im damals sehr konservativen und sportorientieren Göppingen ein Zuhause zu geben. Veranstaltungen kultureller, künstlerischer und sozialer Natur sollten von Göppingern für Göppinger organisiert werden.
Nach seiner anfänglichen Zeit in der alten Bellino Fabrikhalle, bekam der Verein von der Stadt Göppingen ein neues Zuhause: Die “Chapel”.
Das Ziel ist, durch eine ausgewogene Mischung aus eigenen Veranstaltungen, Kooperationen und Privatvermietungen, Raum für neue künstlerische/musikalische Entwicklungen zu schaffen und verschiedenen Subkulturen eine Heimat durch wiederkehrende Veranstaltungen zu bieten.
prisma: Seit 1998 sind Sie in der ehemaligen Soldier Chapel, die 1953 im Auftrag der US-Armee errichtet wurde, eingemietet – eine ungewöhnliche und einmalige Location. Wie kam es, dass Sie diesen Ort für den Verein gewählt haben?
Amyna Wolf: Nachdem das ehemalige Vereinsgebäude, die Fabrikhalle der Spinnerei Gutmann, abgerissen wurde, bot sich die ehemalige Chapel der US Army im Stauferpark als attraktive Alternative an. Hier konnte die Arbeit des Vereins nahtlos weitergeführt werden.
prisma: Finden alle Veranstaltungen in der Chapel statt oder sind Sie auch auswärts tätig?
Christiane Konnerth: Vorwiegend finden unsere Veranstaltungen vor Ort in der Chapel oder Krypta statt. Event(reihen) mit Kooperationspartnern finden gelegentlich auch in anderen Locations statt, z.B. Skilift Gelände Wiesensteig, Neckarinsel Tübingen, Galerie im Kornhaus in Schwäbisch Gmünd oder im Wäscherschloss.
prisma: In den vergangenen gut 25 Jahren wurden so einige Veranstaltungen in der Chapel organisiert. Was für ein Event ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben, Herr Mick?
Axel Mick: Jedes Event hat seine Erinnerungen. So ist beim nächtlichen Theater manchmal das ganze Haus bis einschließlich des Heizungskellers mit Vampiren besetzt – da kann das Kirchengemäuer richtig schaurig sein. Oder wenn die Punkband zum rollstuhlgerechten Circle Pit einlädt und somit keinen Gast ausschließt. Das ist ein denkwürdiges Erlebnis. Bei Künste-übergreifenden PSY-Events wird unser ganzes Gelände aufwändig dekoriert und mit viel Schwarzlicht in eine andere Welt verzaubert. Im Grunde ist jede Veranstaltung ein Highlight für die jeweiligen Patinnen und Paten und die angesprochene Zielgruppe.
Veranstaltungen des Vereins
prisma: Das klingt ja nach einer riesigen Bandbreite. Können Sie beschreiben, welche Arten von Veranstaltung Sie so generell anbieten?
Christiane Konnerth: Wir organisieren die verschiedensten Events, um möglichst allen Interessenten kulturelle Alternativen anzubieten. So veranstalten wir beispielsweise verschiedene Partyreihen, etwa das Bellino, das jedes Jahr am 25. Dezember stattfindet. Das ist eine Art Klassentreffen und war auch die Veranstaltung, bei deren ersten Treffen unser Verein gegründet wurde. Heute ist die Party unser größtes Event und ein Grundpfeiler der soziokulturellen Arbeit, bei der neue Bands und Künstler verschiedenster Musikrichtungen unterstützt werden. Andere Partyreihen, die wir regelmäßig in unseren Veranstaltungskalender nehmen, sind das Kryptonite, das monatlich insbesondere für die Generation ü40 stattfindet, die Church Noir & Crypt Noir, die mit Gothic, Industrial und Mittelalter gleich mehrere Subkulturen anspricht und zusammenbringt, oder das Tribal NRG, das immer dann stattfindet, wenn ein Vollmond auf ein Wochenende fällt und bei dem die Tribal-Anhänger, eine Subklutur im Elektro-Bereich fernab von Massen-Techno-Partys, einen Ort für sich finden.
Andere Reihen und regelmäßig stattfindende Events im musikalischen Bereich sind außerdem das Keep Moving Festival, das jährlich insbesondere jungen Bands aus der Rock- und PopPunk-Szene sowie u18-Künstlerinnen und Künstlern eine Bühne bietet, das d.ffraction & Lehmann auswärts, das aus kleinen Open Airs während der Corona-Pandamie hervorging und das in Kooperation mit dem prominenten Stuttgarter Lehmann Club veranstaltet wird, was auch ein neues, junges Publikum angezogen hat, oder die Disko Inklusiv, die einmal im Quartal an einem Sonntagnachmittag stattfindet und die wir für Menschen mit Behinderung ins Leben gerufen haben. Dieses Projekt hat 2022 sogar einen Kulturpreis erhalten.
Natürlich finden bei uns auch Konzerte statt. Leider zählen diese zu einer Veranstaltungsart, die seit der Pandemie wesentlich weniger Besucherinnen und Besucher anzieht. So mussten letzten Jahr leider auch einige Konzerte abgesagt werden und es fanden nur vier Abende mit jeweils 3-4 Bands statt. Ende 2023 kam jedoch mit einem sehr gut besuchten Punk-Konzert die Hoffnung zurück.
Außerdem findet bei uns auch Theater einen Platz. In Kooperation mit den Stauferfestspielen fand 2023 zum dritten Mal der Theater Campus statt, ein intensiver Workshop mit Jugendlichen, der immer mit der Aufführung eines Stücks abgeschlossen wird. Der Theater Campus findet nun jährlich statt und dazu gibt es regelmäßige Zwischenbesprechungen – ein Projekt, das die Chapel belebt und vor allem bei den jugendlichen Vereinsmitgliedern großen Anklang findet. Relativ neu, aber umso beliebter, ist das Improvisationstheater, das 2019 in Kooperation mit Faer Horizon Events in unserem Veranstaltungsrepertoire zu finden ist. Es findet mittlerweile fast monatlich auch mit wechselnden Locations und mehrtägigen Events statt. Die Reihe ist trotz und sogar während der Pandemie zu einem festen Programmbestandteil geworden. Es war eines der wenigen Formate, die mit den ersten Lockerungen wieder durchgeführt werden konnte und das schweißte die Fangemeinde zusammen und zog immer mehr Interessierte aus ganz Europa an. 2022 kamen eine weitere Reihe, mit zwei mehrtägigen Events hinzu: die BlauCon, in Kooperation mit einem der größten Impro-Veranstalter weltweit, der Drachenfest UG.
Zu guter Letzt werden bei uns auch Tanzkurse und Tanzabende angeboten. Außerdem gibt es bei uns jetzt auch einen Kickertreff, zu dem sich die Tischkickerfreundinnen und -freunde und jene, die es werden wollen, treffen. Diese treffen sich bei uns einmal in der Woche. Im letzten Jahr wurden auch zwei ganztägige Kickerturniere durchgeführt.
Die Göppinger Kulturlandschaft
prisma: Als Kulturschaffende in Göppingen spielt der Verein ja auch eine wichtige Rolle für die Stadt und darüber hinaus. Wie sehen Sie die Kulturlandschaft in der Region? Müsste mehr gemacht werden, um die Kultur zu unterstützen und zu fördern?
Axel Mick: Der Kreis Göppingen hat noch eine relativ vielfältige Kulturlandschaft. Dazu zählen, neben renommierten Häusern wie dem Odeon, der Rätsche, der Stadthalle oder der EWS Arena, eben auch kleinere Kulturbetriebe wie die MieV in Geislingen, die Halle in Reichenbach oder eben wir. Der Fabrik für Kunst und Kultur e.V. ist ein selbstverwaltetes und unabhängiges Zentrum, das sein Programm weitestgehend durch ehrenamtliche Arbeit organisiert und umsetzt.
Wir beobachten allerdings durchaus, dass dies zunehmend schwieriger und zeitintensiver wird. Die Idee der ehrenamtlich arbeitenden Vereine scheint sich auch in anderen Bereichen, wie z.B. der Erwachsenenbildung, zunehmend schwer zu tun. Hinzu kommen Inflation und zunehmende Regulierung, die auch das Betreiben von Versammlungsstätten deutlich schwieriger und kostspieliger machen. Infolgedessen sind auch kleinere Kulturvereine in der Regel zunehmend auf die verschiedenen Kommunal- und Landesförderungen angewiesen. Tatsächlich sind wir der Stadt Göppingen für Ihre Unterstützung sehr dankbar, aber es könnte durchaus noch ein bisschen mehr sein, beispielsweise eine oder zwei Planstellen für den Vorstand, da die Leistung, die dieser erbringen muss, schon länger über ein Ehrenamt weit hinausgeht.
Für kleinere, durch ehrenamtliche Arbeit am Laufen gehaltene Zentren, ist es außerdem eher mühsam, angemessen in den örtlichen Medien repräsentiert zu werden. Wir geben uns redlich Mühe und es gelingt uns immer wieder, dass auch über unsere Events berichtet wird.
Eine bessere Anbindung des Stauferparks an den öffentlichen Nahverkehr am Wochenende wäre ebenfalls wünschenswert, etwa noch eine Busverbindung bis Mitternacht, um auch Jugendlichen den Weg in die Chapel einfacher zu ermöglichen.
Kooperation und Unterstützung des Vereins
prisma: Ihr Verein hat verschiedene Kooperationspartner. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit diesen und wie genau kann man so eine Kooperation mit Ihnen eingehen?
Amyna Wolf: Jede und jeder ist als Mitglied willkommen und kann sofort mitarbeiten – und auch mitentscheiden. Alle Entscheidungen werden bei unseren Sitzungen alle zwei Wochen basisdemokratisch beschlossen. Jedes Mitglied kann zu jeder Sitzung Konzepte vorstellen und wenn die Mehrheit dafür entscheidet, diese auch umsetzen. Auch andere Vereine, Organisationen, Startups oder Einzelpersonen können sich hier einbringen, dies läuft dann als Kooperation.
Diese Kooperationen gestalten sich so unterschiedlich, wie die Veranstaltungen, die sie hervorbringen – es gibt hier kein einheitliches Vorgehen. Als soziokulturelles Zentrum ist es uns wichtig, eine stimmige Zusammenarbeit zu verwirklichen, bei der niemand benachteiligt wird.
So werden auch Privatvermietungen nur für geschlossene Gesellschaften, wie Hochzeiten, Geburtstage und Firmenfeiern zugelassen. Öffentliche Veranstaltungen müssen immer in Kooperation mit dem Verein laufen, damit das Qualitätsniveau, für das der Verein steht, immer gleichbleibt.
prisma: Wie finanziert sich der Verein und wie kann man Sie unterstützen?
Christiane Konnerth: Wir finanzieren uns hauptsächlich durch unser Programm, vor allem gut besuchten Veranstaltungen wie die Bellino-Party. Gelegentlich vermieten wir unsere Räumlichkeiten, wie schon erwähnt, für private Veranstaltungen wie Hochzeiten oder Geburtstagsfeiern. Fördergelder der Stadt Göppingen und die Landesförderung für Kulturinitiativen und soziokulturelle Zentren ermöglichen es uns, ein breitgefächertes Programm anzubieten. Auch die Mitgliedsbeiträge liefern einen Beitrag zu unserer Finanzierung, ebenso die Vermietung zweier Proberäume an lokale Bands.
prisma: Wie genau wird man Mitglied bei Ihnen?
Axel Mick: Einfach auf unserer Homepage den Mitgliedsantrag ausfüllen und am besten bei einer Sitzung, die donnerstags im zweiwöchentlichen Rhythmus stattfindet, persönlich vorbeikommen und vorstellen. Wir freuen uns vor allem über aktive Mitglieder, die bei der Planung und Durchführung von Events mit anpacken.
prisma: Vielen Dank für das Gespräch.
02.02.: Kryptonite – Party (Mixed Music) mit DJ Uli & Hubi, in der Chapel
10.02.: Tribal NRG X Kollektiv Süd – Party (Electro), u.a. mit Sins, Thilo.W, Axel Mick und Lukes in der Chapel
17.02.: Crypt Noir – Party (Gothic) mit DJane Lucy Faer & DJ Rurik, in der Krypta
24.02.: DYP-CUP Kickerturnier, Tischkicker – freies Spiel, Amateur- und Profi-Turnierrunden, in der Chapel
01.03.: Kryptonite – Party (Mixed Musik) mit DJ Uli & Hubi, in der Chapel
03.03.: Disco Inklusiv – Barrierefreie Party mit Live Musik von Disko Rollator, in der Chapel
09.03.: Domäne Staufen 24/2 – Improvisationstheater / LARP, extern
16.03.: d.ffraction – Party (Electro), in der Krypta (Invite Only)
27.04.: Konzert mit MC Bruddal (schwäbischer Hip Hop), in der Chapel
- So erreichen Sie den Verein:
Amyna Wolf, 1. Vorsitzende
Christiane Konnerth, Öffentlichkeitsarbeit
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