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Blick in einen Wald, gegen das Sonnenlicht. Der Boden ist gefroren.

Einreichung: „Die Tannen rauschen nicht mehr“ von Magdalene Kermelk-Ziegler

Im Rahmen unserer Weihnachtsaktion „Schick uns Deine Weihnachtsgeschichte“ haben wir viele wunderschöne und berührende Erzählungen erhalten. Heute präsentieren wir euch das erste ausgewählte Werk: „Die Tannen rauschen nicht mehr“ von Magdalene Kermelk Ziegler. In ihrer Einreichung nimmt uns die Autorin mit auf eine Reise durch die Jahreszeiten und erinnert uns an die Bedeutung von Erinnerung, Verlust und Erneuerung. Lasst euch von dieser tiefgründigen Erzählung verzaubern und in die Weihnachtsstimmung entführen.
Inhalt & Quicklinks

Liebe Leserinnen und Leser,

die Weihnachtszeit lädt uns ein, innezuhalten und die kleinen und großen Geschichten des Lebens zu erzählen. Im Rahmen unserer Weihnachtsgeschichten-Aktion erreichten uns zahlreiche inspirierende Beiträge. Heute freuen wir uns, euch die erste von zwei ausgewählten Erzählungen vorzustellen: „Die Tannen rauschen nicht mehr“ von Magdalene Kermelk-Ziegler.

Diese poetische Erzählung führt uns durch die Zeit – von der Kindheit, in der kleine Hände Setzlinge pflanzen, bis hin zu einer Natur, die nach Verlusten neues Leben schenkt. Eine Geschichte, die vom Wandel und der Kraft der Hoffnung erzählt.

Lest selbst und lasst euch von dieser besonderen Weihnachtsgeschichte berühren:

Die Tannen rauschen nicht mehr

Du hattest geholfen, sie zu pflanzen.
Deine kleinen Hände hatten die Setzlinge
in die großen Hände des Vaters gelegt.
Der hatte mit der Pflanzaxt eine Kerbe geschlagen,
das winzige Bäumchen hineingesteckt
und den Spalt mit kräftigem Tritt wieder verschlossen.
Meter für Meter
an der Pflanzschnur entlang,
Reihe für Reihe
tagelang.
Ein Hektar ist groß.
Die Bäumchen wuchsen heran
so wie Du,
überholten Dich bald,
wiegten sich sachte im Wind.
Manche durften ein Christbaum werden,
etliche fielen dem Appetit der Rehe zum Opfer.
Die meisten aber wuchsen
kerzengerade hinauf, streckten sich
dem Himmel entgegen.
Du gingst weg von zuhause
vergaßest Tannen und Wald.
Kamst nach Jahren zurück.
Die Tannen, zwanzig Meter hoch,
schwankten im Wind.
Du sahst in ihnen schon das künftige Bauholz,
Balken und Bretter.
Bis zu jenem Weihnachtstag 1999,
als ein Sturm die Wälder verheerte.
„Lothar“, das klingt stark und mächtig.
Er warf die Stämme wie ein Mikadospiel durcheinander,
kehrte das unterste nach oben.
Kein Wald mehr, kein Weg, kein Laut.
Aus Schweden kamen gewaltige Maschinen,
zum „Ernten“, zerwühlten den Waldboden.
Du warst sprachlos, machtlos.
Zum Glück aber
heilte die Zeit auch diese Wunden.
Die ungeheure Kraft der Natur
deckte gnädig
ein grünes Tuch
über die geschundene Erde.
Brombeeren, Holunder und Waldgras wucherten.
Und dann kamen die Birken!
Zart und luftig, unzählig.
Sie verwandelten alles
In Leichtigkeit.
Die Tannen rauschen nicht mehr.
Du hast sie fast schon vergessen.

Magdalene Kermelk-Ziegler

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