Skip to content
Eine Chilipflanze mit roten Chilis darauf

Chili-Experte Alexander Hicks: “Scharf zu Essen ist ein richtiges Genuss-Erlebnis”

Wenn es ums Thema Schärfe geht, dann führt kein Weg am Göppinger Alexander Hicks vorbei. Er ist der Chili-Experte schlechthin in Deutschland. Er selbst baut über 1.000 Chili-Sorten an. Dafür benötigt er Platz, weshalb er sowohl im Freiland als auch im Gewächshaus anbaut. Alexander Hicks hat prisma unter anderem erzählt, wie seine Leidenschaft zur scharfen Schote entstanden ist, worauf man beim Chiliessen achten muss und welche Pläne er in Zukunft verfolgt.
Inhalt & Quicklinks

Die Liebe zu Chilis entsteht

Herr Hicks, wie und wann ist Ihre Liebe zur Schärfe und insbesondere zur Chilischote entstanden?

Alexander Hicks: Die Familienlegende besagt, dass ich bereits im zarten Alter von  neun Monaten zum Chili-Liebhaber wurde. Alles begann mit einem Besuch in einem mexikanischen Restaurant. Das Essen lies auf sich warten und da wollte mein Vater mal testen, wie Sohnemann wohl auf etwas Salsa reagieren würde. Die Verblüffung war groß, als statt der erwarteten Beschwerde, das Schüsselchen mit einem Nacho als Löffelersatz von mir leer gefuttert wurde. Und seit diesem Tag esse ich – wann immer möglich – scharf.

Mit 15 Jahren begann ich die Salsas selbst zu kochen. Frische Chilis zu finden war damals eine echte Herausforderung. Kaum 18 Jahre alt geworden entdeckte ich die Habanero Chili für mich und war im siebten Schärfe-Himmel. Doch die Früchte in guter Qualität waren nur sehr schwer zu bekommen. Die Lösung war, selbst anzubauen. Also startete ich intensive Recherchen und suchte passendes Saatgut online auf der ganzen Welt. Aber ich wollte mehr – mehr wissen, mehr anbauen, mehr kosten! Also verabschiedete ich mich von meinem Studium und entschloss mich eine Ausbildung zum Gärtner und damit meine Leidenschaft zum Beruf zu machen. Aus einer Sorte wurden 13 und heute sind es über 1.000 Sorten im Eigenanbau.

Welche Faszination versteckt sich für Sie hinter der Chili-Schärfe?

Alexander Hicks: Der Körper nimmt Schärfe wie einen „Verbrennungsschmerz“ wahr und schüttet zur Neutralisation Endorphine, also Glückshormone aus, die zu dem sogenannten Chili-High führen. Scharf zu essen ist ein richtiges Genuss-Erlebnis!  

Sie haben über 20 Jahre Erfahrung im Chili-Anbau und haben sich 2019 selbstständig gemacht. Wie sind Sie überhaupt auf die Idee gekommen Chili selbst anzubauen? Ist es in Deutschland dafür nicht zu kühl?

Alexander Hicks: Das hat mir meine Großmutter auch immer erzählt. Ich habe dann jemanden kennengelernt, der das in unseren Breiten erfolgreich im eigenen Garten versucht hatte und habe es dann selbst auch ausprobiert. Es hat zwar einige Tücken und man muss seine Erfahrungen sammeln, damit man die Kulturführung und die Besonderheiten der einzelnen Sorten richtig handhaben kann. Aber mit dem richtigen Fingerspitzengefühl ist es generell möglich. Nicht alle Sorten können im Freiland angebaut werden, daher empfiehlt sich oft die Kübelkultur an einem sonnigen Standort oder eben ein Gewächshaus.

Alexander Hicks bei der Arbeit, wie er gerade Pflanzen gießt
Aussaat von Chili-Pflanzen

Herausforderungen beim Chili-Anbau

Worauf ist beim Chili-Anbau zu achten?

Alexander Hicks: Je mehr Stress die Pflanze hat, z.B. Trockenstress, desto schärfer werden meist die Früchte. Bei Tropensorten ist es hingegen andersherum. Warum das bei diesen Sorten so ist, ist nicht gänzlich geklärt. Man nimmt aber an, damit sich diese bei steigender Luftfeuchtigkeit besser gegen Pilze wehren können, da die Schärfe Pilzsporen abtötet und somit resistenter gegen Pilzbefall sind.  Wichtig ist, dass die Wasser- und Nährstoffzufuhr an den aktuellen Wuchs und Zeit in der Saison angepasst wird. So sollten z. B. die Keimlinge bis zum Ausbilden der ersten Keimblätter gar keinen Dünger in die Erde bekommen. Die erste Düngergabe schließt sich an das sogenannte Pikieren, also dem Topfen und Vereinzeln der Keimlinge an.  Ich empfehle gleich in den Endtopf zu pflanzen, da nach meiner Erfahrung sich die Jungpflanzen dann am besten entwickeln. Der Wachstumsschub kommt dann zwar etwas später, dafür werden die Pflanzen deutlich kräftiger. Auch die Wassergabe muss an die Pflanze und die Standortbedingungen angepasst werden. Wird zu viel gewässert und reduziert sich die Sonnenstrahlung, kann die Pflanze weniger Wasser transportieren. Es besteht dann die Gefahr, dass die Wurzeln dann im Wasser stehen und die Pflanze alle Blätter abwirft oder sogar anfängt Schimmel anzusetzen.

Bei Ihnen gibt es nur Chilis und Paprika in Bioqualität. Warum ist Ihnen das wichtig?

Alexander Hicks: Zum Schutz unserer Umwelt und weil damit die besten geschmacklichen Ergebnisse erzielt werden können. 

Gibt es Chili-Sorten, die hier in Deutschland nicht so gut wachsen und andere denen es hier besonders gut gefällt? Spielt der Klimawandel dabei eine Rolle?

Alexander Hicks: Die klassischen Capsicum Annuum Sorten wachsen bei uns in Deutschland auch sehr gut, da sie eher anspruchslos sind und nicht so viel Wärme benötigen. Die tropischen Sorten beziehungsweise sehr wärmeempfindlichen Sorten sind bei uns hingegen schwierig zu Handhaben im Anbau.

Natürlich zeigt der Klimawandel auch hier seinen großen Einfluss, indem plötzlich Sorten, die eben auf unser eher regenreiches Klima angepasst waren, plötzlich durch die Trockenheit und die starke Sonnenstrahlung nicht mehr gut wachsen und dafür andere Sorten gut gedeihen, die damit besser zurechtkommen. Die Erträge pro Pflanze verschieben sich dann in die entsprechende Richtung und passen nicht mehr zu den nachgefragten Sorten. Das macht dann auch die Vermarktung schwieriger. 

Experimentieren Sie auch selbst in der Chili-Züchtung? Gibt eine „Alexander-Hicks-Chili-Sorte“?

Alexander Hicks: Ja und Nein. Im Anbau selektiere ich mir die Sorten entsprechend der benötigten oder gewünschten Eigenschaften. Vor einigen Jahren habe ich eine Kreuzung weiter selektiert zu einer neuen Sorte „Select Yellow“ mit bestimmter Größe, um die Früchte ideal in unserer Küchenmaschine verarbeiten zu können.

Verkauf und Anbau von Chilis

Wer sind eigentlich Ihre Kundinnen und Kunden und wen beliefern Sie?

Alexander Hicks: Chilis gibt es in fast grenzenloser Vielfalt, nicht nur vom Aussehen, sondern auch von der Schärfe und dem Aroma – wie bei einem guten Wein hat jede Sorte ein eigenes Schärfe-Geschmacks-Bukett, dass dann auch je nach Anbaubedingungen sich verändert – das zu testen lieben die Chilikenner und natürlich gibt es auch viele, die einfach gerne damit besonders kochen wollen. Neben den Endkunden beliefere ich vor allem Manufakturen, die den authentischen Geschmack wollen und meist ganz bestimmte Sorten für die Vollendung ihrer Produkte und Rezepturen benötigen. 

Sie betreiben auch einen eigenen Online-Shop, wo Sie frische Chilis sowie Chili-Samen und -Pflanzen vertreiben. Welche Produkte sind denn hier der Verkaufsschlager?

Alexander Hicks: Das variiert natürlich je nach Saison. Momentan ist unser Früchte-Nasch-Mix mit einer Auswahl aus über 100 verschiedenen Sorten der absolute Hit. Eine echte Überraschungspackung für den Gaumen. 

Während Corona haben viele Menschen das Kochen für sich entdeckt. Haben Sie das in Ihrem Geschäft gespürt? Wurden mehr Chilis verkauft?

Alexander Hicks: Ja, definitiv. Ich glaube, dass viele Menschen versucht haben ihr Fernweh wenigstens kulinarisch etwas auszugleichen. Außerdem haben dadurch auch viele den eigenen Chili-Anbau für sich entdeckt. 

Sie züchten und bauen Chilis und Paprika sowohl im Freiland als auch in Gewächshäusern an. Nun kommt die kalte Jahreszeit, wo Sie vermutlich nur noch in den Gewächshäusern arbeiten können. Wie gehen Sie mit den steigenden Energiepreisen um?

Alexander Hicks: Gerade auch im Anbau sind die steigenden Energiepreise ein ernstzunehmendes Thema, schließlich lassen sich die gestiegenen Kosten nicht einfach an die Kundinnen und Kunden weitergeben – die Nahrungsmittel würden schlicht zu teuer werden. Da hilft meist nur, möglichst kreativ an die Problemstellung heranzugehen und neue Wege zu finden, wie autarke Gewächshäuser oder Thermoschirme, um möglichst die Heizung auslassen und dennoch die Anbauperiode noch etwas verlängern zu können. In der Winterzeit findet dann allerdings kein Anbau mehr statt. Da ist dann auch mal Zeit für all die Dinge, die nichts mit der direkten Anbauarbeit zu tun haben. 

Chili-Fruchtpflanzen in einem Gewächshaus
Alexander Hicks bei einer Führung durch sein Gewächshaus

Chili con Carne, Plazenta, Milch

Welche Chilisorte ist ihre liebste?

Alexander Hicks: Die Rocotos sind meine Liebsten. Die Früchte sehen in etwa wie kleine Blockpaprika aus, haben aber einen richtigen „Schärfe-Wumms“ und ein sehr exotisches Geschmacks-Bukett, welches mit nichts vergleichbar ist. Man muss es schon selbst probieren und süchtig werden. 

Und welches ist Ihr Chili-Lieblingsrezept?

Alexander Hicks: Ein richtig schön rauchiges Chili con Carne mit ordentlich Schärfe. Da ist alles drin und dran, um alle Sinne zum Überfliegen zu bringen. 

Gibt es eine richtige bzw. falsche Art, Chili zu essen?

Alexander Hicks: Eigentlich nicht. Aber wer sich erstmal an die Chili herantasten will, der fängt am besten von der Spitze an zu essen, da die meiste Schärfe am oberen Ende der Frucht in der Plazenta mit den Samen sitz. 

Kann man sich an Schärfe gewöhnen? Und welchen Schärfegrad empfinden Sie selbst noch als angenehm bzw. ab wann würden Sie sagen, das ist nicht mehr genießbar?

Alexander Hicks: Das Schärfeempfinden ist sowohl von der aktuellen Tagesform als auch der Gewohnheit abhängig. Da sich unsere Nervenenden auch im Mund an die Reize beziehungsweise die Reizstärken gewöhnen und mit der Zeit weniger empfindlich reagieren, kann man sich auch an die Schärfe bis zu einem gewissen Grad gewöhnen. Wer richtig aktiv scharf isst benötigen daher mit der Zeit immer höhere „Dosen“, um das gleiche Schärfeempfinden zu verspüren.  

Da jede Frucht ihr eigenes „Brennprofil“ hat, lässt sich das gar nicht pauschal sagen, welchen Schärfegrad ich noch als angenehm empfinde. Es kommt immer auf die jeweilige Chili-Sorte an. Allerdings ist mir die Schärferekordhalterin Carolina Reaper mit ihren 2 Millionen Scoville auch zu scharf, um noch einen Geschmack feststellen zu können.  

Was kann man machen, wenn man zu scharf gegessen hat?

Alexander Hicks: Da sich das Capsaicin, welches wir als Schärfe wahrnehmen am besten in Fetten löst – ist fettreiche  Milch die erste Wahl, wenn man keinen Riegel Butter essen möchte. Was definitiv nicht gemacht werden sollte, ist Wasser zu trinken, da dies den Schärfe-Reiz verstärkt.

Vielfalt des Chilis sichern

Sind nächste Projekte geplant? Womit können Chili-Fans in den nächsten Jahren bei Ihnen rechnen?

Alexander Hicks: Dieses Jahr habe ich mit der Chilivielfalt-Initiative meinen Herzenswunsch erfüllt. Abseits vom kommerziellen Anbau möchte ich mit Gleichgesinnten die Vielfalt der Chilis erhalten.  

Über 10.000 Chili-Sorten gibt es weltweit. Doch die enorme Farben- und Formenvielfalt und der einzigartige Gaumenkitzel gehen nach und nach verloren. Während die populären Sorten boomen, verschwinden unbekanntere Sorten vom Markt, werden nicht mehr angebaut und dadurch auch kein Saatgut mehr gesichert. 

Das Ziel der Chilivielfalt-Initiative ist es das größte, unabhängige Saatgutarchiv mit stets keimfähigen Samen sowie angeschlossener Datenbank zu erschaffen, die mit Informationen und Rezepten zu jeder Sorte auch mehr Hintergrund und weiterführendes Wissen erhalten soll, als reine Katalogisierung. Es soll die größte Chili-Sorten-Erhaltungsaktion Europas werden! Und ich lade jeden herzlich dazu ein, die Welt in der er leben möchte, mitzugestalten. Denn wenn jeder seine Leidenschaft feiert, dann können wir alle gemeinsam Außergewöhnliches schaffen. 

Vielen Dank für das Gespräch Herr Hicks.

Verschiedene Chilifrüchte liegen auf einem Tisch
Chili ist gesund

Chili ist in all seinen Formen und Mischungen gesund. Denn die scharfe Frucht regt den Appetit, den Kreislauf und die Durchblutung an, wirkt gegen Blähungen und wenn die Verdauung Probleme bereitet, hilft gegen Muskelverspannungen und -schmerzen und ist darüber hinaus auch noch antibakteriell. Das ist mit ein Grund, weshalb Chilis in vielen heißen Gegenden rund um den Äquator immer auf dem Speiseplan stehen.

Logo von BioChi
Alexander Hicks

Bio Chi - Chilis vom Experten

Bildnachweis

© Privat

Hier gibt’s noch mehr Artikel