Am Anfang stand eine verrückte Idee
Seit dem Jahr 2013 wird auf einem Gelände etwas außerhalb von Meßkirch in Oberschwaben gebaut. Was hier entsteht, mutet fast wie eine verrückte Idee an. Auf Grundlage eines mittelalterlichen Stückes Pergament, dem Sankt Gallener Klosterplan, wird hier eine Klosterstadt aus der Karolingerzeit nachgebaut. Und zwar wie im frühen Mittelalter. Ganz ohne Strom und Baukran, ohne Maschinen, moderne Materialien und künstliche Intelligenz. Nur durch die Muskelkraft von Mensch und Tier. Mittlerweile nimmt die verrückte Idee mehr und mehr Gestalt an.
Zeitreise zurück ins Mittelalter
Wer das weitläufige Gelände des Campus Galli betritt, taucht ein in die Arbeits- und Lebensweise des frühen Mittelalters. Überall ertönt das Hämmern und Klopfen der Handwerker, über dem offenen Feuer wird Werkzeug geschmiedet, in der Töpferei entstehen Trink- und Vorratsgefäße. Frauen sitzen am Webstuhl und am Spinnrad. Sie verarbeiten Wolle und Leinen, um daraus die Kleidung der Mitarbeiter auf der Kloster-Baustelle zu fertigen.
Keimzelle Gallus Eremitage
Der Ursprung der gesamten Anlage ist die kleine Gallus Eremitage. Der Mönch Gallus legte damit 612 n. Chr. den Grundstein für das spätere Kloster Sankt Gallen. Der Nachbau zeigt, wie die kargen Eremitenzellen der ersten Mönche ausgesehen haben könnten. Um diese Keimzelle herum entstehen nun nach und nach weitere Gebäude.
Abtshof und Scheune
Inzwischen sind einige wichtige Gebäude fertiggestellt, die auf dem Sankt Gallener Klosterplan basieren. Er entstand um 825 n. Chr. auf der Insel Reichenau und ist damit der älteste, erhaltene Bauplan Mitteleuropas. Die mit Roggenstroh gedeckte Scheune ist das bislang größte Gebäude auf dem Gelände. In diesem Sommer steht der Abtshof im Fokus der Handwerker. Dort entstehen gerade die Flechtwerk-Wände, die mit Lehm verkleidet und anschließend mit Kalk bestrichen werden. Das soll Ungeziefer abhalten.
Von der Holzkirche zur Klosterkirche
Während die Holzkirche bereits fertiggestellt ist und die Funktion einer Abteikirche hat, wird es bis zum Bau der eigentlichen Klosterkirche noch einige Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern. Sie ist das Herzstück des Klosterplanes. Die Dimensionen kann man bereits erahnen, denn die Umrisse der Kirche wurden mittels eines Weidengeflechts auf dem künftigen Bauplatz dargestellt.
Die Mönche waren Selbstversorger
Wesentliche Grundlage der Klosterstadt sind neben den Handwerkerhütten die Wirtschaftsgebäude, damit sich die Mönche in damaligen Zeiten selbst versorgen konnten. Dazu zählen Schafgehege und Schweinstall, aber auch Heilkräuter- und Gemüsegärten. Bienen liefern Wachs und Honig, auf den Feldern wird Flachs angebaut und auf der Streuobstwiese stehen alte, regionale Obstbaumsorten.
Campus Galli als Forschungsobjekt
Während der Saison arbeiten mehr als 50 Menschen auf der Kloster-Baustelle. Darunter ehrenamtliche Helfer und Freiwillige im sozialen Dienst. Jugendliche können hier Praktika zur beruflichen Orientierung als Zimmerer, Steinmetz und in der Landwirtschaft absolvieren. Die Arbeit mit mittelalterlichen Techniken dient zudem Forschungszwecken. So fließen die Erkenntnisse über die damaligen Bauweisen beispielsweise in den Denkmalschutz ein.
Mitmachaktionen in den Ferien
Auf dem Campus Galli kann man aber nicht nur den Handwerkern über die Schulter schauen. Während der Sommerferien gibt es zahlreiche Mitmach-Aktionen und Führungen, welche die Vergangenheit zum Leben erwecken. Wer schon längst einmal wissen wollte, wie im Mittelalter mit Holz und Stein gebaut wurde, wie man mit Pflanzen natürlich färbt oder wie aus Flachs feine Fasern entstehen, der sollte sich einen Besuch auf der Kloster-Baustelle nicht entgehen lassen.
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Die Kloster-Baustelle ist täglich außer montags geöffnet. Vom 30. März bis 26. Oktober von 10 bis 18 Uhr, in den Herbstferien vom 27. Oktober bis 3. November von 10 bis 17 Uhr.
Öffentliche Führungen finden um 11 und 14 Uhr statt. Im Winter bleibt die Baustelle geschlossen.
Eintritt: Erwachsene 14 Euro, Kinder und Jugendliche von 6 bis 16 Jahre 8 Euro.
Weitere Infos und das Veranstaltungsprogramm sind im Internet unter www.campus-galli.de nachzulesen.
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